Hochzeitsgedicht



Dem Brautpaar

(Die Geschwister des Bräutigams)

Er fliegt hinweg, dich zu umarmen,
und unsre Seele jauchzt ihm laut!
Mit innig heißerem Verlangen
flog nie der Bräutigam zur Braut.
O Schwester, willst du länger weilen?
Auf, bring uns doppelt ihn zurück!
Wir wollen alles mit dir teilen,
und unser Herz und unser Glück.

Die besten Eltern zu verlassen,
die Freunde, denen du verschwind'st,
ist traurig; doch, um dich zu fassen,
bedenke, was du wiederfind'st.
Dein Glück, o Freundin, wird nicht minder,
und unsers wird durch dich vermehrt:
Sieh, dich erwarten muntre Kinder,
die werten Eltern Gott beschert.

Komm zu dem täglich neuen Feste,
wo warme Liebe sich ergießt,
ringsum die brüderlichen Gäste,
da eins des andern Glück genießt.
Im lang erhofften Sommerregen
reicht Gott dem früchtevollen Land
Erquickung, tausendfält'gen Segen! -
reich du dem Bruder deine Hand!

Und mit der Hand ein künftig Glücke
für ihn und dich und uns zugleich;
dann werden alle Augenblicke
an neuen Lebensfreuden reich,
Ja, es sind wonnevolle Schmerzen,
was aus der Eltern Augen weint!
Sie sehen dich mit warmen Herzen,
mit deiner Schwester neu vereint.

Wie Freud und Tanz ihn dir ergeben
und Jugendwonne euch verknüpft:
So seht einst euer ganzes Leben
am schönen Abend hingeschlüpft!
Und war das Band, das euch verbunden,
gefühlvoll warm und heilig rein,
so laßt die letzte eurer Stunden,
wie eure erste, heiter sein!

Johann Wolfgang von Goethe, 1749 - 1832


Zur Hochzeit

Was das für ein Gezwitscher ist!
Durchs Blau die Schwalben zucken
und schrei'n: "Sie haben sich geküßt!",
vom Baum Rotkehlchen gucken.

Der Storch stolziert von Bein zu Bein;
"Da muß ich fischen gehen -"
der Abend wie im Traum darein
schaut von den stillen Höhen.

Und wie im Traume von den Höhen
seh ich Nachts meiner Liebsten Haus,
die Wolken darüber gehen
und löschen die Sterne aus.

Joseph Freiherr von Eichendorff, 1788 - 1857


Brautgesang

Das Haus benedei ich und preis es laut,
das empfangen hat eine liebliche Braut;
zum Garten muß es erblühen.

Aus dem Brautgemach tritt eine herrliche Sonn';
wie Nachtigalln lockt die Flöte,
die Tische wuchern wie Beete,
und es springet des Weines goldener Bronn.

Die Frauen erglühen
zu Lilien und Rosen;
wie die Lüfte, die losen
die durch Blumen ziehen,
rauschet das Küssen und Kosen.

Ludwig Uhland, 1787 - 1862


Glück und Traum

Du hast uns oft im Traum gesehen
zusammen zum Altare gehen,
und dich als Frau, und mich als Mann.
Oft nahm ich wachend deinem Munde,
in einer unbewachten Stunde,
So viel man Küsse nehmen kann.

Das reinste Glück, das wir empfunden,
die Wollust mancher reichen Stunden
floh, wie die Zeit, mit dem Genuß.
Was hilft es mir, daß ich genieße?
Wie Träume fliehn die wärmsten Küsse,
und alle Freude wie ein Kuß.

Johann Wolfgang von Goethe, 1749 - 1832


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