Gedichte zur Goldhochzeit
Im November
Und will heut keine Sonne strahlen
in Euer Jubelfest hinein,
so gebe Gott der Herr den Herzen
der echten Freude Sonnenschein.
Und will nicht Feld und Garten bieten
Zum Festesschmuck der Blumen Glanz,
umschlingt doch von lebend'gen Blüten
Euch hoffnungsreich ein grüner Kranz.
Nicht in des Maien goldnen Tagen
ward einst geschlossen Euer Bund,
das mochte leise Mahnung sagen
an manche ernste, trübe Stund'.
Ihr Habt's gewagt auf Gottes Treue,
die auch den trübsten Tag verklärt,
ihr durftet's wagen ohne Reue,
sie hat bis heute sich bewährt.
Der Euch in Ehren und mit Freuden
zur Heimat einst geführt zurück,
der wird zu gutem Ziele leiten
auch all' der Eurigen Geschick.
Hoch über Lenz und Sonnenscheine,
da bleiben noch der Sterne drei
für uns im seligen Vereine:
der Glaube und die Lieb' und Treu.
Ottilie Wildermuth, 1817 - 1877
Man hört von seltnen Bäumen sagen
In Südens Sonne warm und weich,
die duftig helle Blüten tragen
und goldig süße Frucht zugleich. -
Wir brauchen nicht so weit zu gehen
Zum fernen Land Italia,
so reich geschmückte Bäume stehen
auch in der deutschen Heimat da:
Bei goldenem Fest in Silberhaaren,
auch wenn der Frühling längst verblüht,
und über viel geliebte Bahren
der kühle Wind des Herbstes zieht,
wo Kind und Kindeskind Euch grüßen,
und Eures alten Hauses Raum
recht wie ein frischer Kranz umschließen,
das ist der rechte Wunderbaum.
Auf's neue weihtr Euch Gottes Segen,
der einst zusammen Euch geführt,
der auch auf harten, steilen Wegen
Euch wunderbar und wohl regiert,
er weiht nicht junger Liebe Flammen
für eine kurze Lebenszeit,
er gebe tröstend Euch zusammen
für eine sel'ge Ewigkeit!
Ottilie Wildermuth, 1817 - 1877