Gedichte zum Polterabend



Einer Braut am Polterabend

Mit einem Album und dem Brautkranz

Ich bringe dir ein leeres weißes Buch,
Die Blätter drin noch ohne Bild und Spruch.

Sie sollen einst, wenn sie beschrieben sind,
Dir bringen ein Erinnern hold und lind;

An liebe Worte, die man zu dir sprach,
An treue Augen, die dir blickten nach.

Drauf leg' ich dir von dunklem Myrtenreis
Den grünen Kranz, der alle Kränze Preis.

Nimm ihn getrost! Denn muss ich auch gestehn,
Er wird wie alles Laub dereinst vergehn,

So weiß ich doch, wenn Tag um Tag verschwand,
Hälst du den Zweig mit Früchten in der Hand.

Theodor Storm, 1817 - 1888


Der ältesten Schwester

Und als der Großvater die Großmutter nahm,
da war der Großvater ein Bräutigam
und die Großmutter eine Braut.

Doch als aus der Ferne der Schwager kam
und unsere Schwester zu eigen sich nahm,
wir haben's nicht gerne geschaut.

Weil aber der Schwager ist freundlich und gut,
weil der Schwester so freudig und fröhlich zu Mut,

So lassen wir's dennoch gescheh'n.
Nun ward uns der Schwager zum Bruder, schau!

Und die Schwester ist eine sehr glückliche Frau,
in Frieden mögen sie gehen.

Ottilie Wildermuth, 1817 - 1877


Zu schwäbischen Geschichten

Zu viel reichen, seinen Gaben
in das neue Heimatland
wird ein schlichtes Buch aus Schwaben
Euch zum Gruße zugesandt;
neues ist nicht drin zu lesen,
doch es zeigt in Ernst und Scherz
unsrer Heimat Tun und Wesen,
Schwabenernst und Schwabenscherz.

Grüßt Euch mit der stillen Bitte,
dass auch an dem eignen Herd
deutsches Tun und deutsche Sitte
Euch bleiben möge lieb und wert.
Ziehet froh in Glück und Lieben
in die neue Heimat ein,
und dem Schwabenbüchlein drüben
räumt ein kleines Plätzchen ein.

Ottilie Wildermuth, 1817 - 1877


Der jungen Hausfrau

Mit einem Kästchen zu Gewürzen

Nun wird bald die Stunde schlagen,
wo den frohen Mädchentagen
du dein Lebewohl musst sagen.

Wo statt Flor und seidnem Bande
dich der Hausfrau schlicht Gewande
Schmückt im heil'gen Ehestande.

Wenn dann mit der Küchenschürze
du dich gürtest in der Kürze,
nimm dies Kästlein noch zur Würze.

Zwar, es soll die Frau im Leben
sanft und süß ohn' Widerstreben
wie ein Turteltäubchen leben,

Doch es wird noch besser munden
wenn bei all' den süßen Stunden
etwas Würze wird gefunden.

Lass Dich denn die Weisheit leiten,
Dir Dein Glück zu allen Zeiten
süß und würzig zu bereiten.

Eine Du zum guten Zeichen
stets das Spröde mit dem Weichen
als die Hausfrau sonder Gleichen.

Ottilie Wildermuth, 1817 - 1877


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