Gedichte zur Hochzeit
Die Ehe ist das Ruhen zweier Herzen,
Da ist kein Sehnen mehr und ist kein Schmerzen,
Da ist kein Suchen, nein, man hat gefunden,
Man lebt und lebt, doch nimmer zählt man Stunden,
Es ist ein Leben, wie zwei Bäume leben,
Die ihre Wurzeln in einander weben,
Treuinnig mit den Zweigen sich umfassen,
Kommt auch ein Sturm, keins kann vom andern lassen,
Derselbe Tau trifft sie, derselbe Regen,
Was einem wohltut, bringt dem andern Segen,
Mag Mond, mag Sonne auf sie niederschauen,
Sie steb'n vereint in kindlichem Vertrauen;
Sie harren still, was ihnen kommt von Oben,
Ob Freud, ob Leid - sie sind in Eins verwoben.
Theobald Kerner, 1817 – 1907
O, lebt und liebt Euch, nach der Sitte
Der goldnen Zeit, als eine Hütte
Die Liebenden umschloss, die willige Natur
Aus ihrem Überfluss sie nährte,
Und ihnen Bach und Wald und Flur
Die Mittel der Zufriedenheit gewahrte!
Durch Euer Beispiel angereizt.
Bekehre sich, wer schon allmählich an der Küste
Des Hagestolzeneilands kreuzt.
Bekehre sich zu Hymens Altar, und gelüste
Nach eines Weibchens warmer Zärtlichkeit,
Die uns, aus öder Einsamkeit
Zum ersten Glücke der Geselligkeit
Allmächtig weckt. (Spricht sie zur Freude: Werde!
Zum Kummer: flieh! wird Freude, Kummer flieht.)
Nach jenem Bunde, der herab zur Erde
Die Seligkeit des Himmels zieht.
Nach jener ewigen Verschwistrung Seelen,
Bestimmt, sich hier zu finden, und zu wählen,
Und sich getreu bis in den Tod zu sein.
Nach jenem unaussprechlichsüßen Sorgen
Für Wesen, die durch uns sich ihres Daseins freun;
Nach jenen Küssen, Spielen, Tandelein,
Die, vor des Neides Blick verborgen.
Die Liebe nur belauschet und verschweigt.
Friedrich Wilhelm Gotter, 1746 – 1797
Nimm hin den Ring der Treue,
Dies Bild der Ewigkeit!
O, dass Misstraun oder Neue
Seinen Anblick nie entweihe!
Dass es unsres Bundes Herzlichkeit
Jeden Morgen dir erneue!
Dass noch einst, durchströmt von Dankbarkeit,
Sich dein Herz der langen Reihe
Durchgeliebter Tage freue;
Wann, genagt vom Zahn der Zeit,
Dieses Ringes Schönheit schwindet.
Und, bei Sang und Spiel und Tanz,
Uns der Jubelfeier Kranz
Kind und Enkel windet.
Friedrich Wilhelm Gotter, 1746 – 1797
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